In Mumbai, Sarnath und Varanasi habe ich in den letzten Tagen vielfältige Einblicke in die indische Kulturlandschaft bekommen. Anlass meiner Reise war der Austausch mit den Kulturminister*innen beim G20-Gipfel. In der Wirtschafts-, Industrie- oder Handelspolitik stimmen sich unsere Länder bereits regelmäßig ab. Nun wollen wir auch im Kulturbereich die Kooperation vertiefen.
Ganz in diesem Sinne habe ich mich z.B. mit Frauen aus der lokalen Kulturszene getroffen. Es ging um das Verhältnis von Demokratie und Kultur und die Lage von Frauen in Kunst und Architektur. Im Austausch mit Filmschaffenden habe ich viel über die unabhängige Filmszene in Indien und über die Herausforderungen, queere oder indigene Themen im Film treffend umzusetzen, erfahren. Ein besonders bewegender Moment war die Einweihung des Nariman Lighthouse als Teil der “Jewish Route” in Mumbai. Am 26. November 2008 ermordeten zehn Terroristen an verschiedenen touristischen und jüdischen Orten insgesamt 166 Menschen. Viele der Opfer starben im Taj Mahal Palace Hotel, an dem eine kleine Gedenkstätte an das Attentat erinnert.
Der Gedenkort im Nariman Lighthouse, das von der jüdischen Chabad-Bewegung betrieben wird, erinnert sowohl an die jüdischen Opfer, die hier in diesem Gemeindezentrum bei den brutalen Terrorattacken ermordet wurden, als auch an alle Opfer der Anschläge von 2008. Es zeigt, wie bedeutend das gemeinsame Erinnern für das Zusammenleben ist. Es zeigt, dass eine lebendige Demokratie das gemeinsame Erinnern braucht, denn die Bedrohung einer Minderheit bedroht immer auch die Gesellschaft als Ganzes. Indien ist seit 2000 Jahren Heimat von jüdischen Gemeinschaften mit unterschiedlichen Wurzeln und Traditionen. Die Geschichten unserer Länder sind eng verflochten – während der Shoa flohen um die 5.000 Jüdinnen und Juden hierher.
Deswegen ist es mir ein Herzensanliegen, mich über Religions- und Landesgrenzen hinweg für eine starke und kooperative Erinnerungskultur einzusetzen, verschiedene Geschichten sichtbar zu machen und gemeinsam gegen das Vergessen einzutreten. Ich danke für die wertvollen Gespräche, von denen ich viel für meine Arbeit, und auch persönlich, mitnehmen werde.