- Während Ihres Aufenthaltes sollen nach Angaben iranischer Oppositioneller mindestens zwölf Menschen vom iranischen Regime hingerichtet worden sein. In den vergangenen Jahren stiegen die Zahlen der Hinrichtungen (nach UN-Schätzungen allein 250 Exekutionen 2014), darunter auch der prominente Fall des Vergewaltigungsopfers Reyhaneh Jabbari, der international für Empörung sorgte. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund Ihren Dialog?
Die Menschenrechtslage im Iran war Gegenstand jedes Gesprächs, dass ich bei meinem Besuch im Iran geführt habe. Sie könne sicher sein, dass ich dort mit meiner Kritik nicht hinterm Berg gehalten habe. Der Fall Reyhaneh Jabbari war dabei genauso Thema wie der im Iran inhaftierte Nürnberger Menschenrechtspreisträger Soltani oder die Verurteilung von Ghoncheh Ghavami, weil sie als Frau ein Volleyballspiel besuchen wollte. Der Iran ist einer der Staaten, welche die Todesstrafe exzessiv praktizieren. Deshalb wird das Land neben China, Saudi-Arabien und den USA zu Recht von allen Menschenrechtsorganisationen und den zuständigen Gremien der UNO immer wieder deutlich kritisiert.
Durch die Wahl des reformorientierten Präsidenten Rohani hat sich nun ein kleines Fenster der Hoffnung auf Verbesserung der Lage und einer gewissen Liberalisierung geöffnet. Bei meinem Besuch ging es auch darum, all diejenigen zu stärken, die für Reformen und die Universalität der Menschenrechte eintreten. Die Reise diente außerdem dem Austausch über die außenpolitische Bedeutung und Rolle des Iran für die Sicherheit und die Linderung der humanitären Katastrophe in der Region.
- Ali Larijani hat bei Ihrem Treffen in Bezug auf die „Charlie-Hebdo“-Anschläge folgendes erklärt: „Die Schmähungen heiliger Religionen und Propheten unter dem Deckmantel „Meinungsfreiheit“ verursachen Hass und Provokation.“ Ihre Fraktion hat sich mit „Je suis Charlie“-Bildern abbilden lassen. Haben Sie Herrn Larijani mitgeteilt, dass auch Sie Charlie sind?
Ja, selbstverständlich. Das war einer von mehreren harten Kontroversen, wie z.B. auch die Frage der eklatanten demokratischen Defizite im Iran.
- Haben Sie den Fall Soheil Arabi angesprochen? Der junge Iraner soll hingerichtet werden – erhängt, um genau zu sein – weil er den Propheten bei Facebook beleidigt habe.
Alle Einzelfälle, um die mich Amnesty International gebeten hatte, habe ich bei meinen Gesprächen im Iran angesprochen. Genauso auch die Kriminalisierung der religiösen Minderheit der Bahá’í, worüber ich mit der Bahá’í Gemeinde in Deutschland im Austausch bin.
- Bei Facebook kritisierten Sie am 19. Januar den Fußballverein „FC Bayern“ und schrieben, dass eine klare Haltung gegenüber dem Regime in Saudi-Arabien wichtig gewesen wäre, um sich von dessen Politik- und Religionsverständnis abzugrenzen. Auch im Iran werden regelmäßig Homosexuelle, Ehebrecher und Dissidenten hingerichtet. Ist das kein „Politik- und Religionsverständnis“, von dem man sich abgrenzen sollte?
Wer behauptet das Gegenteil? Vor Ort diese Probleme offen anzusprechen und nicht so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre, macht die Abgrenzung deutlich.
- Sie haben sich mit Ali Larijani getroffen, ein Mann, der die Holocaust-Leugnung des ehemaligen Präsidenten Ahmadinedschad unterstützt hat. Ist das das richtige Zeichen an die vom Antisemitismus bedrohte jüdische Gemeinde in Deutschland, wenn Sie sich – als deutsche Politikerin – wenige Tage vor dem 70. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung mit Holocaust-Leugnern zum freundlichen Austausch treffen?
Gegen Antisemitismus in Deutschland und in der ganzen Welt stehen wir alle in der Pflicht. Unsere politische Verantwortung nach der Shoa war deshalb in den Gesprächen jeweils ein ausführliches Thema. Mit dem ersten Termin meines Programms im Iran, dem Besuch der jüdischen Gemeinde und des jüdischen Krankenhauses in Teheran, habe ich ebenfalls ein deutliches Zeichen gesetzt. Im Übrigen lohnt sich ein Blick in die iranische Presse. Dort wurde dieses Zeichen sehr genau verstanden.