Die politische und gesellschaftliche Lage in der Türkei bleibt zutiefst angespannt. Arbeitslosigkeit und Inflation haben zu einem breiten Gefühl der Unzufriedenheit geführt, das selbst die schrillste Rede des türkischen Präsidenten nicht dauerhaft übertönen kann. Die spalterische Politik des Recep Tayyip Erdogan, der repressive Umgang mit den Kritikerinnen und Kritikern seines autokratischen Umbaus, die systematische Entrechtung von Opposition und Minderheiten – all das hat die Aussicht der Menschen auf eine bessere Zukunft spürbar verdunkelt.Entsprechend hoch ist die Bedeutung der anstehenden Kommunalwahlen für die türkische Innen- und Regionalpolitik. Nur freie und faire Wahlen können das zum erheblichen Teil verlorengegangene Vertrauen der Menschen in die Politik und in die Zukunftsfähigkeit des Landes zurückbringen. Wir fordern Präsident Erdogan und die AKP-Regierung auf, das Recht aller Wählerinnen und Wähler auf freie und geheime Wahlen in allen Regionen des Landes zu respektieren und sicherzustellen.
In den vergangenen Wochen hat eine Hungerstreikwelle die Gefängnisse und Teile der kurdischen Gemeinden im Südosten der Türkei erfasst, die bedrohliche Ausmaße für das Leben der Streikenden erreicht hat. Den Hungerstreik lehnen wir als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab. Dennoch erfüllt es uns mit tiefer Sorge, dass auch demokratisch gewählte Volksvertreterinnen und -vertreter keine andere Handlungsoption mehr sehen als einen Hungerstreik. Für uns ist klar: Frieden kann es nur mit politischen Mitteln geben. Die PKK muss die Waffen niederlegen. Präsident Erdogan fordern wir auf, die angespannte Situation in den kurdischen Gebieten nicht weiter zu befeuern, sondern klare Deeskalationssignale zu senden und den Betroffenen einen Dialog anzubieten. Die miserablen Zustände in den notorisch überbelegten Gefängnissen der Türkei sind ebenso wenig hinnehmbar wie die politisch agierende Justiz.
Die berechnende Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber Ankara, in Worten wie in Taten, ist und bleibt ein schwerer politischer Fehler. Dieser Flüchtlingsdeal, der massive Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat, und die Beschwichtigungspolitik der Bundesregierung müssen beendet werden. Die Bundesregierung setzt auf Normalisierung, wo es keine Normalisierung geben kann.