Anlässlich der Beschlüsse des Bundestags vom 07. Juni kommentiert Claudia Roth:
Seit 2015 jagt eine Asylrechtsverschärfung die nächste, häufig ohne faktischen Anlass, nicht selten im Hau-Ruck-Verfahren. Die Große Koalition hat jüngst ein weiteres Gesetzespaket durch den Bundestag gebracht, das im Kern nicht mit Grundsätzen einer menschenrechtlich ausgerichteten und rechtsstaatlich basierten Migrations- und Asylpolitik vereinbar ist. Damit werfen Union und SPD jede politische Verhältnismäßigkeit über Bord ihres havarierten Schiffes namens GroKo.
In Form und in Inhalt stellt das Paket rund um das euphemistisch bezeichnete „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ einen Tiefpunkt im Umgang der Bundesregierung mit dem Parlament dar. Die in vielen Aspekten kurzfristig abgewandelten sieben (!) Gesetze wurden in aller Eile durch das Parlament gepeitscht. Zugleich werden die Grund- und Menschenrechte von Geflüchteten und Einwander*innen deutlich eingeschränkt. Die Aufenthaltsdauer in isolierten Sammellagern wird auf ganze anderthalb Jahre erhöht, der unmittelbare Zugang zu unabhängiger Beratung eingeschränkt. Eine neue „Duldung light“ entrechtet viele Schutzsuchende, sie werden vom Arbeitsmarkt und von Sozialleistungen ausgeschlossen. Auch in anderen Fällen wird das Existenzminimum eingeschränkt – trotz gegenteiligem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts. Schließlich werden die Gründe für eine Abschiebehaft massiv ausgeweitet; ohne richterlichen Beschluss soll die Polizei in Wohnungen eindringen und Menschen in Gewahrsam nehmen können. Entgegen den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sollen Ausreisepflichtige unter Umständen zu verurteilten Straftätern in den Knast gesteckt werden. Da der ganze Prozess der Abschiebung als Geheimnis deklariert wird, droht die Kriminalisierung von humanitär engagierten Bürger*innen, die sich beispielsweise um eine erneute Prüfung des jeweiligen Falles bemühen und deshalb die angekündigte Abschiebung öffentlich machen. Und trotz gegenteiliger Bitten der Industrie- und Wirtschaftsverbände sollen abgelehnte Asylbewerber*innen, die gerade eine Ausbildung machen, auch weiterhin abgeschoben werden können.
Erst kürzlich haben wir den 70. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert, haben auch von Regierungsvertreter*innen gehört, wie reich uns unsere Verfassung macht. Zwei Wochen später folgt ein Gesetzeskatalog, dessen Verfassungstreue von Expert*innen explizit angezweifelt wird. Das ist weder christlich noch sozial; es ist inhuman und fahrlässig.