Zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Osman Kavala erklären Claudia Roth und Cem Özdemir:
Wir begrüßen es in höchstem Maße, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die unverzügliche Freilassung von Osman Kavala fordert. Wir fordern Ankara auf, das Urteil ohne Aufschub umzusetzen und Osman Kavala umgehend freizulassen. Als Mitglied des Europarats ist die Türkei dazu verpflichtet.
Seit über 700 Tagen sitzt Osman Kavala unschuldig hinter Gittern. Er ist das Gesicht der türkischen Zivilgesellschaft – im Land selbst wie international. Seine Inhaftierung ist von hoher symbolischer Bedeutung: Osman Kavala steht exemplarisch für die Hunderttausenden, die unter Präsident Erdogan allein dafür bestraft wurden, nicht dessen Meinung zu sein. Wir denken an die unzähligen Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, die das Land nicht mehr verlassen dürfen oder die Angst haben, öffentlich zu sagen, was sie denken. Vor allem aber denken wir an die vielen Menschen, die Präsident Erdogan aus purem Machterhaltungskalkül ins Gefängnis gesperrt hat.
Wie kaum ein anderer steht der Fall von Osman Kavala für das Unrechtsregime, zu dem sich die Regierung in Ankara selbst gemacht hat. Es liegt nun in den Händen der türkischen Regierung und Justiz, zu zeigen, ob sie sich einen letzten Funken Glauben an rechtsstaatliche Normen und europäische Werte erhalten haben.
Die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft müssen alle Hebel in Bewegung setzen, damit Ankara das Straßburger Urteil umsetzt. Wie sehr Ankara den internationalen Druck fürchtet, zeigt die Entscheidung, den nächsten Prozesstermin auf den Heiligabend zu verlegen – in der Hoffnung, internationale Beobachterinnen und Beobachter würden dem Prozess dann weniger Beachtung schenken. Das Gegenteil werden wir tun: Wir stehen fest an der Seite der vielen prodemokratischen Kräfte in der Türkei und kämpfen weiter dafür, dass alle Menschen freikommen, die Erdogan allein aus Angst vor ihrem kritischen Geist eingesperrt hat.