Angesichts der aktuellen Lage im Iran erklärt Claudia Roth:
Der Schein verhältnismäßiger Ruhe im Iran trügt: Die Spannungen bleiben erheblich, das haben die letzten Tage eindrücklich gezeigt. Die Proteste nehmen zu. Obwohl die Menschen wissen, dass sie damit alles riskieren, gehen sie zu Tausenden auf die Straße, um ihrer Trauer und ihrer Wut lautstark Ausdruck zu verleihen – auf die verlogene Politik des Regimes, auf die systematische Verletzung von Menschen- und gerade Frauenrechten, auf wirtschaftliche und soziale Missstände.
Die Menschen sehnen sich nach Demokratie und Freiheit, nach Gerechtigkeit und vor allem Frieden. Dabei sollten wir sie unterstützen. Deutschland und die Europäische Union dürfen deshalb nicht müde werden, zu vermitteln, zugleich aber bei ihren öffentlichen Stellungnahmen und Begegnungen mit den iranischen Offiziellen ein Ende der allgegenwärtigen Repression und der systematischen Menschenrechtsverletzungen anzumahnen.
Die europäische Seite muss uneingeschränkt auf Deeskalation und Vermittlung setzen. Konkret sollte auch die Bundesregierung alles dafür tun, das Atomabkommen mit dem Iran doch noch zu retten und mit neuem Leben zu füllen. Da reicht es nicht aus, die einseitige Sanktionspolitik der USA nur zu rügen – eine Politik, unter der vor allem die iranische Bevölkerung zu leiden hat. Vielmehr müssen wir dafür Sorge tragen, dass der INSTEX-Mechanismus endlich in Stellung gebracht und damit der Handel mit dem Iran wieder ermöglicht wird. Insbesondere die Ausfuhr von Lebensmitteln und Medizin sowie von humanitärer Hilfe muss schnell und transparent sichergestellt werden. Geht die europäische Seite hingegen mit leeren Händen in die Verhandlungen um das Atomabkommen, wird sie wohl kaum als Vermittlerin auftreten können.