Zu den besorgniserregenden Entwicklungen im Iran erklärt Claudia Roth:
Die Nachrichten und Berichte über mehr als einhundert getötete Demonstrierende, die uns auch dem Iran erreichen, sind erschreckend. Die Menschen im Iran haben alles Recht und guten Grund, ihrem Protest gegen die verheerende ökonomische Situation, die allgegenwärtige Entrechtung und Korruption, die offene und aggressive Diskriminierung insbesondere von Frauen und Minderheiten friedlich Ausdruck zu verleihen. Die Gewalt, mit der das iranische Regime auf die Proteste reagiert, ist mit nichts zu rechtfertigen. Die anhaltende Politik systematischer Unterdrückung des iranischen Regimes ist auf Schärfste zu verurteilen.
Was die Menschen im Iran in diesen Stunden und Tagen brauchen, ist die Aussicht auf überfällige Veränderung – und die unüberhörbare Solidarität der internationalen Gemeinschaft. Das gilt auch für die Bundesregierung, die in einem ersten Schritt die Gewalt gegen die Demonstrierenden im Iran deutlich verurteilen sollte.
Die Bundesregierung muss sich im europäischen Verbund für technische Lösungen einsetzen, mithilfe derer sich die im Iran verhängte Internetsperre und die Informationsblockade aufheben lassen. Die Ausfuhr von Lebensmitteln und Medizin in den Iran muss schnell und transparent sichergestellt werden – nicht trotz, sondern gerade wegen der US-Sanktionen, unter denen vor allem die iranische Bevölkerung zu leiden hat.
Die verbleibenden Gesprächskanäle zur iranischen Staatsführung sollte die Bundesregierung nutzen und die Machthaber davor warnen, auf legitime Forderungen der Protestierenden mit weiterer Gewalt und Unterdrückung zu reagieren. Das widerspricht auch nicht dem richtigen Ziel, das Atomabkommen zu erhalten. Dafür braucht es aber mehr politischen Mut und Einsatz, als sie der deutsche Außenminister zuletzt an den Tag gelegt hat.