Michel Friedmans Werk „Fremd“ ist mehr als nur ein Buch. Es ist zugleich ein Aufruf zur Verständigung und ein Einblick in die zutiefst persönliche und gleichermaßen gewöhnliche Erfahrung, in unserer vielfältigen Gesellschaft fremd gemacht zu werden.
Am Donnerstag durfte ich bei der ersten Inszenierung des Buches im Berliner Ensemble dabei sein. Die wunderbare Sibel Kekilli erweckt Friedmans Werk auf der Bühne zum Leben und nimmt uns mit einem hohen Maß an Einfühlvermögen mit in seine Geschichte. Es ist die schmerzvolle Geschichte eines Kindes von Schoah-Überlebenden, das im Land der Täter, im Nachkriegsdeutschland, eine Heimat finden sollte und dabei Antisemitismus und Rassismus fand.
Es ist die Geschichte von innerer Zerrissenheit und Angst. Angst ist der ständige Begleiter des Fremdseins, das beschreibt Friedman treffend. Angst davor, mit zweierlei Maß bemessen zu werden und sich nicht als Individuum entfalten zu können. Angst davor, ausgegrenzt und angegriffen zu werden.
In der aktuellen Lage ist Friedmans Geschichte eine Mahnung an uns alle. Es ist absolut inakzeptabel, dass jüdische Menschen in Deutschland Angst haben. Als Demokrat*innen müssen wir uns jeder Ausprägung von Antisemitismus mit aller Kraft entgegenstellen. Es ist es unsere Aufgabe das so reiche und vielfältige jüdische Leben in unserem Land – und es ist ein großes Glück, dass es das in unserem Land wieder gibt – gerade jetzt zu schützen, zu fördern und zu stärken.
Michel Friedmans Werk ist ein Aufruf, uns gegenseitig zuzuhören. Es ist eine Mahnung, für unseren Zusammenhalt und unsere Demokratie Haltung zu zeigen im Angesicht von Antisemitismus, Rassismus, Hass und Hetze. Ich danke Michel Friedman für seine Offenheit und Klugheit, die wir gerade in der heutigen Zeit der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung so dringend brauchen. Mein Dank gilt auch der wunderbaren Sibel Kekilli und dem Team des Berliner Ensembles für diese bewegende inszenierte Lesung.
Titelbild: © Moritz Haase
Fotos 2 und 3: © Team Roth