Ein Kommentar von Claudia Roth.
Über Jahrhunderte verteidigten Männer den politischen Status quo und ihr alleiniges Recht, Politik zu gestalten. Dann, vor 100 Jahren, erzielten engagierte Frauenrechtlerinnen einen Durchbruch: das Wahlrecht für Frauen. Endlich durften auch Frauen ihre Stimme abgeben. Die Weimarer Republik war damit das immerhin zehnte Land, das das Frauenwahlrecht einführte – allen Widerständen der Männer zum Trotz. Ein Meilenstein in der Geschichte der deutschen Frauenbewegung.
Patriarchales Rollendenken und diskriminierende Strukturen sind allerdings auch heute noch tief in unserer Gesellschaft verankert. Immer noch sitzen Männer in der Überzahl an den Schaltstellen der Politik, der Gerichte, der Wissenschaft, der Medien und der Wirtschaft. Die Aufstiegschancen für uns Frauen bleiben trotz insgesamt höherem Bildungsniveau immer noch geringer. Der unbereinigte Gender Pay Gap beträgt weiter 21 Prozent, die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist weiblich. Und immer noch sind alleinerziehende Mütter in Deutschland dem größten Armutsrisiko ausgesetzt. Nicht zuletzt die #MeToo-Kampagne hat zudem das bittere Ausmaß an sexualisierter Gewalt gegen Frauen, auch in Deutschland, aufgezeigt. Diese Ungerechtigkeiten sind für Frauen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, um ein vielfaches verschärft.
100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts liegt der Anteil der weiblichen Abgeordneten im Deutschen Bundestag bei schlappen 31 Prozent. Einen solch schlechten Proporz hatten wir zuletzt im vergangenen Jahrhundert. Länder mit jungen Demokratien wie Tunesien oder Ruanda sind uns weit voraus. Die Herzkammer unserer Demokratie schlägt weiter männlich – nicht paritätisch, wie es eigentlich geboten wäre. Wir schreiben das Jahr 2018, allerhöchste Zeit das zu ändern!
Es geht um viel, denn Frauenrechte sind nicht nur Menschenrechte: Sie gehören zu einer Demokratie notwendigerweise dazu. Das 100. Jubiläum zur Einführung des Frauenwahlrechts ist eine wichtiger Anlass, um feministischer Errungenschaften zu feiern und zugleich den Blick nach vorne zu richten: Für eine feministische Zukunft, in der alle Menschen würdevoll und frei von Gewalt und Not leben können. Eine feministische Zukunft, in der Sexismus, Rassismus und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten überkommen sind. Es bedarf endlich gleicher Rechte, fairer Repräsentanz und gleichwertiger Zugänge zu ökonomischen, wirtschaftlichen und politischen Ressourcen für Frauen. Dafür stehen wir ein, gemeinsam und solidarisch, laut und feministisch!