Zur Einigung im Atomkonflikt zwischen dem Iran und der Gruppe der 5+1 erklärt Claudia Roth MdB, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages:
„Die Einigung der Gruppe 5+1 mit der Islamischen Republik Iran ist ein historischer Erfolg der internationalen Diplomatie und kann wegweisendes Beispiel für viele weltweite Krisen sein. Die Beilegung dieses jahrzehntelangen Konflikts macht Hoffnung für weitere politische Lösungen in einer Region, die in Flammen steht. Sie wird auch zu mehr Öffnung der iranischen Gesellschaft beitragen. Diese Öffnung kann den Iran innenpolitisch nach vorne sowie die Suche nach einer Lösung in Syrien und Irak näher bringen. Im Ergebnis bedeutet sie auch mehr Sicherheit für Israel. Zurzeit steht die innenpolitische Situation in Iran auf Messers Schneide. Mit Blick auf die Parlamentswahlen im Februar 2016 droht sie sich weiter zuzuspitzen.
Angesichts des seit Jahren herrschenden gegenseitigen Misstrauens und der sehr zeitaufwendigen und Kräfte zehrenden Verhandlungen ist dieser Kompromiss umso bedeutender. Alle Seiten sind jetzt gefordert, die Verhandlungsergebnisse zügig umzusetzen. Vor allem der US-Kongress darf nicht den harten Anstrengungen Präsident Obamas in den Rücken fallen, indem er sich gegen die Aufhebung der amerikanischen Sanktionen ausspricht. Im Iran ist dieses Ergebnis auch ein Erfolg der moderaten politischen Kräfte um Präsident Rouhani gegenüber den Fundamentalisten und Sanktionsgewinnlern. Die Aufhebung und Lockerung der Sanktionen wird sich positiv vor allem auf die iranische Bevölkerung und die dortige Zivilgesellschaft auswirken. Jetzt muss es für Europa darum gehen, diese gemäßigten Kräfte zu stärken und zu unterstützen. Neue Gesprächs- und Austauschkanäle dafür könnten der Umwelt-, der Bildungs-, oder der Gesundheitsbereich sein sowie der akademische und kulturelle Austausch. Nicht zuletzt die Tatsache, dass die Fundamentalisten im Iran gegen die Einigung mit der Gruppe 5+1 derart verlogen polemisieren und sie zu torpedieren versuchen, ist der beste Beleg, dass diese Einigung ein großer Schritt in die richtige Richtung ist.
Eine der wichtigsten Errungenschaften der Einigung von Iran und 5+1 ist, dass der Iran umfassende Kontrollen und vertrauensbildende Maßnahmen in Bezug auf seine Atomprogramme ermöglicht. Das ist für die Entspannung auf dem Pulverfass Nahost enorm wichtig, aber bei weitem nicht ausreichend. In Afghanistan und Irak hat der Iran gezeigt, dass er auch eine konstruktive Rolle in den Konflikten spielen kann. Zur Lösung der regionalen Krisen, vor allem der humanitären Tragödie in und um Syrien, ist es nun von höchster Priorität Saudi-Arabien und Iran an einen Tisch zu bekommen. Nicht minder wichtig ist es, neue diplomatische Schritte in Richtung friedlicher Nachbarschaft und konstruktiver Entspannungspolitik auch auf anderen Gebieten zu gehen.
Stimmen von iranischen Spitzenpolitikern, die die Kritik an der Politik der islamischen Republik nur auf den Atomkonflikt reduzieren wollen, dürfen wir nicht akzeptieren, sondern müssen die katastrophale Menschenrechtslage im Iran weiterhin auf das Schärfste kritisieren. Das massive Vorgehen von Justiz und Sicherheitskräften im Iran gegen Menschenrechtsaktivisten, Künstler, protestierende Arbeiter und Lehrer sowie Frauen ist nicht hinnehmbar. Hier hat die iranische Staatsführung viel nachzuholen und die Kritik der iranischen Zivilgesellschaft, der Menschenrechtsorganisationen und der internationalen Gemeinschaft ernst zu nehmen.“