Zur angespannten Lage in der Türkei vor den Parlamentswahlen erklärt Claudia Roth MdB:
„Wir hoffen, dass am Sonntag freie und faire Parlamentswahlen in der Türkei stattfinden werden. Angesichts der dramatischen Polarisierungs- und Spaltungspolitik von Präsident Erdoğan muss man sich jedoch um die Sicherheit der Menschen, die von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen wollen, ernsthaft sorgen.
Während des Wahlkampfes wurde in immer mehr türkischen Gemeinden und in ganzen Regionen des Landes der Ausnahmezustand verhängt, es gab massenhafte Verhaftungen von politischen Aktivisten, organisierte Attacken auf Journalisten, Redaktionen und Medienvertreter sowie massive Einschüchterungen der Kritiker von Präsident Erdoğan und seiner Regierung. Die Erstürmung und Schließung des Medienkonzerns Ipek-Koza mit seinen Zeitungen und dem Bugün TV ist der vorläufige tragische Höhepunkt dieser beispiellosen Unterdrückungspolitik. Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Regierungskritiker und stattdessen ihre erstaunliche Untätigkeit im Umgang mit Terrorverdächtigen des ISIS lassen ernsthaft daran zweifeln, ob faire und freie Wahlen in der Türkei derzeit überhaupt möglich sind.
In den Augen von Präsident Erdoğan haben die Wähler bei den letzten Wahlen im Juni einen „Fehler“ gemacht, als sie der AK-Partei eine absolute Mehrheit verweigert und stattdessen der linksliberalen, kurdischen HDP einen echten Wahlerfolg beschert haben. Um das zu korrigieren, ist die Regierung offensichtlich entschlossen, das Land mit einer Repressionswelle zu überziehen, den Friedensprozess mit den Kurden zu zerstören und kurdische Städte und Gemeinden anzugreifen, sowie die demokratischen Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger einzuschränken. Diese Politik von Präsident Erdoğan und Ministerpräsident Davutoğlu mit dem Ziel, den Machterhalt der AKP und eine autoritäre Machtkonzentration für den heutigen Präsidenten zu garantieren, hat den sozialen Frieden in der Türkei an den Abgrund geführt.
Die Politik der AKP-Regierung ist auch außenpolitisch brandgefährlich. Das zeigt sich unter anderem im Umgang der Türkei mit dem ISIS und seiner Terror-Infrastruktur sowie an der verfahrenen Situation in Syrien und Irak.
Die Bundesregierung und die EU dürfen Präsident Erdoğan und der AKP-Regierung wegen der aktuellen Flüchtlingskrise keinen Rabatt für ihre gefährlich falsche Politik geben. Stattdessen müssen sie ein klares Signal senden, dass nur eine Regierung, die aus fairen und freien Wahlen hervorgeht, unser Partner in der Türkei und in der Region bleiben kann.“