Heute vor 32 Jahren zog ein rechter Mob mehrere Tage lang durch Rostock-Lichtenhagen und traumatisierte Asylbewerber*innen sowie vietnamesische Vertragsarbeiter*innen mit entgrenztem rassistischen Terror. Tausende Schaulustige klatschten Beifall, als das Sonnenblumenhaus, die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber*innen, in Flammen aufging. Die Feuerwehr wurde bei ihrer Arbeit behindert, und die Polizei zog sich zurück, anstatt die Menschen zu schützen. Nur knapp entkamen rund 100 Personen dem Tod. Es war ein großes staatliches Versagen, das bis heute offene Wunden bei den Betroffenen hinterlassen hat, die einen Großteil der Erinnerungsarbeit nach den Pogromen in die Hand nahmen. Es war ein staatliches Versagen, das uns in die Pflicht nimmt.
Die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen waren der Beginn einer Kette menschenfeindlicher Gewalt, die bis zu den tödlichen Anschlägen des NSU, den Attentaten von Hanau und Halle sowie dem Mord an Walter Lübcke reichte. Es war offener, grausamer, hässlichster Rassismus, der bereit war, Menschen zu töten. Wir dürfen nie vergessen, denn vergessen tötet.
Und erinnern verpflichtet: Das Leid der Opfer und ihrer Hinterbliebenen findet bis heute viel zu wenig Beachtung. Erinnern heißt, Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehören Orte des Gedenkens, die wissenschaftliche Aufarbeitung von Rechtsterrorismus, den Wechsel hin zu der Perspektive der Betroffenen anzustoßen. Gegen Hass und Hetze, die von rechtsextremen Netzwerken, die von den Sozialen Medien bis in die Parlamente reichen, müssen wir auch Medienkompetenz fördern und mit zeitgemäßen Bildungsangeboten gegen Rassismus und Rechtsextremismus ankämpfen.
Dieser Anschlag war nicht nur ein Angriff auf die Betroffenen, sondern auf uns alle – unsere offene und vielfältige Gesellschaft, auf die Grundfesten der Menschenrechte. Als Demokrat*innen erinnern wir gemeinsam und handeln entschlossen gegen Rassismus und Rechtsextremismus.
Foto: Nils Leon Brauer